Council for European Urbanism (CEU)
Internationaler Kongress vom 8. bis 10. September 2005 in Berlin
Erklärung von Berlin:
Brücken bauen!
Nach dem Vorbereitungskongress in Brüssel/ Brügge im April 2003 und dem Gründungskongress in Stockholm im November 2003 hat der Council for European Urbanism (CEU) im September 2005 seinen ersten Internationalen Kongress in Berlin durchgeführt. Schirmherr des Kongresses war Dr. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Unterstützt wurde der Kongress durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Sponsoren und Partner waren:
Unterstützt wurde der Kongress durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin. Sponsoren und Partner waren: Die Bahn DB, DIFA Deutsche Immobilien Fonds AG, Groth Gruppe, DEGEWO, Stadt und Land sowie die Fundus-Gruppe.
Zahlreiche Redner aus Berlin, aus Europa und aus anderen Ländern haben neue Perspektiven des Städtebaus aufgezeigt – darunter der britische Städtebauminister und stellvertretende Premierminister John Prescott und der deutsche Minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe. Die 260 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertraten ein breites Spektrum aus Politik, Wirtschaft, städtischen Initiativen und der städtebaulichen Fachwelt. Sie kamen aus 19 Ländern – nicht nur aus Europa, sondern auch aus Israel, den USA, aus Kanada, Kuba und Guatemala.
Der erste Kongresstag thematisierte Berlin – ein Erfolgsmodell des europäischen Städtebaus. Trotz mehrfacher erheblicher Zerstörungen ist Berlin immer wieder auf die Beine gekommen. Selbst Jahrzehnte der Spaltung haben diese Stadt nicht gebrochen. Und trotz aller Schwierigkeiten ist der Prozess der städtebaulichen Wiedervereinigung als Erfolg zu werten – gerade angesichts der Tatsache, dass niemand auf dieses historische Ereignis vorbereitet war. Es war völlig richtig, zunächst den Schwerpunkt auf die Herausbildung eines erneuerten Zentrums zu legen – als Zeichen für die Überwindung der Spaltung nach Innen und Außen. Jenseits des Zentrums hat die Modernisierung der Mietskasernenviertel im ehemaligen Ost-Berlin große Fortschritte gemacht, und selbst die Groß-Siedlungen in Plattenbauweise sind kaum mehr wieder zu erkennen. Dazu kam die Erneuerung der stadttechnischen Infrastruktur, insbesondere der Verkehrsinfrastruktur. Auch der Zersiedelung wurden erste Grenzen gesetzt. Allerdings kann es sich Berlin nicht leisten, auf seinen Erfolgen auszuruhen. Haushaltskrise, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung sind eine große Herausforderung. Berlin muss seine Position im Konzert der europäischen Städte nach dem Fall der Mauer erst noch finden.
Der zweite Kongresstag richtete den Blick auf Europa und Übersee. Die Europäische Stadt ist ein städtebauliches, wirtschaftliches, soziales und politisches Erfolgsmodell. Sie hat es immer wieder vermocht, ihre Traditionen mit Innovationen zu verbinden – wenn auch oft unter schweren Verlusten und Mühen. Die Europäische Stadt hat als politisches und emanzipatorisches Gemeinwesen weltweit Maßstäbe gesetzt. Sie hat eine Lebensweise geprägt, die heute als Markenzeichen für Urbanität schlechthin gilt. Sie hat eine städtebauliche Form gefunden, die äußerst flexibel und daher zukunftsfähig ist. Kurz: Die Europäische Stadt ist zu einem Symbol von Stadt geworden. Allerdings hat sie auch nur allzu oft ihr Zentrum geschwächt, ihre Innenstadt vernachlässigt und zersiedelte Peripherien hervorgebracht, die uns vor neue Herausforderungen in politischer, sozialer, ökologischer und gestalterischer Hinsicht stellen. Vertreter aus verschiedenen Großstädten präsentierten Beiträge zur Fortsetzung der Erfolgsgeschichte „Europäische Stadt“. Vor allem in Großbritannien finden wir die weitreichendsten und diskussionswürdigsten Strategien, Reformbewegungen und praktischen Resultate des neuen Städtebaus in Europa.
Zum Ende des Kongresses wurde folgende „Erklärung von Berlin“ veröffentlicht:
Deindustrialisierung, Zersiedelung, Zunahme des Individualverkehrs, soziale Polarisierung, Alterung, Energiekrise und eine schrumpfende Bevölkerung stellen die Europäische Stadt vor gewaltige städtebauliche Herausforderungen. Politiker, Investoren, Fachleute und Bürgerinitiativen in verschiedenen Teilen Europas und Nordamerikas haben längst auf den stürmischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in der „globalisierten Welt“ reagiert – mit unterschiedlichem Erfolg. Was zu wünschen übrig lässt, sind die Verarbeitung dieser unterschiedlichen Erfahrungen, die Offenheit für andere Sichtweisen, der Austausch von Beispielen für Best Practice, ja letztlich die Debatte um die grundlegende Frage:
Welche Stadt wollen wir?
Eine einfache wie schwierige Frage, die längst keine akademische mehr ist, sondern den Alltag in Städten und Gemeinden prägt. Sie schließt insbesondere auch die Fragen des zukünftigen Umgangs mit der technischen und sozialen Infrastruktur, mit der industriellen Arbeit und mit der Energieversorgung ein. Wir wissen: Der Städtebau in Europa sollte der Zersiedelung der Landschaft, der Entwertung von städtischen Gebieten und der sozialen, wirtschaftlichen wie kulturellen Erosion der Stadt entgegenwirken. Er sollte die stadtgestalterische Qualität verbessern, die lokale Identität fördern, soziale Kluften mildern und Ressourcen schonen. CEU tritt dafür ein, dass diese Ziele zum Allgemeingut werden. Es gilt aber auch, einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu fördern: Die Europäische Stadt muss sich z. B. aus der Abhängigkeit vom Öl befreien. Städtebau ist ein Schlüssel für die Gestaltung unseres zukünftigen Alltags, unserer Wirtschaft, unserer Kultur, unserer Gesellschaft. Der Europäische Städtebau der Zukunft ist somit kein Feld für Spezialisten allein, er betrifft alle und ruft nach einer Vielzahl von Akteuren. Die grundlegenden Veränderungen erfordern in mehrfacher Hinsicht daher ein Brücken-Bauen. Es geht um das Bauen von Brücken
- zwischen den Städten Europas,
- zwischen den Akteuren des Städtebaus,
- innerhalb der planerischen und architektonischen Profession,
- zwischen Institutionen und Netzwerken des Städtebaus und
- zwischen Europa und den USA.
Ein solches Brücken-Bauen fördert eine neue Handlungsfähigkeit im Europäischen Städtebau.
1. Brücke zwischen den Städten Europas
Politisch ist der Einigungsprozess Europas jüngst in eine Krise geraten. Es hat sich gezeigt, dass für viele Bürger Europas die europäischen Institutionen weit weg sind. Europa ist aber mehr als der Verwaltungsapparat in Brüssel. Europas Stärke ist die kulturelle Vielfalt, der Reichtum an Städten und Kulturlandschaften. Städte und Landschaften stehen in Wettbewerb zueinander, bedürfen aber zugleich der Kooperation, auch um weltweit konkurrieren zu können. In diesem Kontext ist der Austausch über Erfahrungen mit dem Umbau der europäischen Städte von herausragender Bedeutung. Dieser Austausch ist aber wenig entwickelt. Der CEU versteht sich als ein Medium der Intensivierung des europäischen Austauschs im Feld des Städtebaus.
2. Brücke zwischen den Akteuren des Städtebaus
Der gesellschaftliche Diskurs über Themen des Städtebaus ist noch sehr verinselt. Die einzelnen Akteure haben ihre eigene Sprache, ihre eigenen Propheten, ihre eigenen Leitbilder. Der Austausch über die Grenzen der Akteursgruppen ist unterentwickelt. Der CEU versteht sich als Medium des Austauschs zwischen den unterschiedlichen Akteuren, des Dialogs zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Gesellschaft und Fachwelt, zwischen praktischen Planern, Architekten, Landschaftsarchitekten, Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtung, Investoren und Bürgergruppen.
3. Brücke innerhalb der architektonischen und planerischen Profession
Die planerisch-architektonische Fachwelt ist in viele Lager gespalten, die sich gegenseitig bekämpfen und oft unsachlich diskriminieren. Gerade mit Blick auf den Städtebau sind solche Lager wenig hilfreich. Das betrifft zuallererst die Frage des architektonischen Stils: Weder moderne Architektur noch traditionelle Architektur ist städtebaulich betrachtet per se gut oder schlecht. Entscheidend ist der Kontext, entscheidend ist die Unterordnung der Architektur unter den Städtebau. Vielen ist vor allem der Prozess wichtig, anderen das Produkt. Beides ist wichtig. Das Gleiche gilt für die soziale wie die ökologische Frage, die nicht gegen die Frage nach der richtigen städtebaulichen Form ausgespielt werden darf und umgekehrt. Auch die Frontbildung zwischen denen, die eine Qualifizierung der Peripherien anstreben, und denen, die die historischen Kernstädte revitalisieren möchten, ist nicht hilfreich. Der CEU wendet sich gegen jede unfruchtbare Lagerbildung, gegen die Diskriminierung von architektonischen Stilen a priori, gegen die Isolierung von Form und Inhalt, von Prozess und Produkt. Der CEU setzt sich für eine städtebauliche Perspektive ein, die die gesamte Stadt-Region ins Visier nimmt.
4. Brücke zwischen Institutionen und Netzwerken des Städtebaus
Der Council for European Urbanism (CEU) ist nicht der Meinung, dass die oben angesprochenen Aufgaben ausschließlich in seine Kompetenz fallen und nicht auch von anderen Netzwerken und Institutionen engagiert angepackt werden. Nur durch eine Verstärkung der Zusammenarbeit von allen Netzwerken und Institutionen, denen die Zukunft der europäischen Stadtregionen am Herzen liegt, können Erfolge erzielt werden. Der Council for European Urbanism (CEU) strebt daher eine Zusammenarbeit mit Netzwerken und Institutionen an, die sich explizit oder implizit um einen qualifizierten Städtebau kümmern, insbesondere mit den Fachverbänden in den Bereichen Architektur, Landschaftsplanung, Stadt- und Regionalplanung und Städtebau, mit staatlichen Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen, mit wissenschaftlichen Institutionen und Netzwerken, mit Verbänden und Einrichtungen der Immobilienwirtschaft und mit zivilgesellschaftlichen Initiativen. Bei dieser Zusammenarbeit sollte das Verbindende im Vordergrund stehen, während über das Trennende konstruktiv diskutiert werden muss.
5. Brücke zwischen Europa und den USA
Das Verhältnis zwischen Europa und den USA ist zur Zeit belastet. Vieles, was aus den USA kommt, wird mit Misstrauen betrachtet. Das gilt auch für den Städtebau. Dafür gibt es durchaus Gründe: Verfall der Großstadtzentren, soziale Segregation und hemmungslose Zersiedelung waren Kennzeichen der US-amerikanischen Stadtregionen. In den USA hat sich aber auch eine städtebauliche Reformbewegung herausgebildet, die sich gegen Verfall und Zersiedelung richtet. Ihre Aktivitäten haben bereits einiges bewirkt. Im Kontext dieser breiten Reformbewegung hat sich der Congress for the New Urbanism weit über die Fachwelt hinaus einen Namen gemacht. Der CEU begreift sich als Partner des Congress for the New Urbanism (CNU) und anderer Städtebau-Bewegungen, sei es in Australien, in Neuseeland oder des Movement for the Israeli Urbanism (MIU).
Angebot:
Das Brückenbauen kann und muss sich in der praktischen Arbeit bewähren. Die Stadtregion von New Orleans wurde von einer Naturkatastrophe getroffen und weitgehend zerstört – eine menschliche Tragödie größten Ausmaßes. Wir erklären unsere Solidarität mit New Orleans und ihren Bewohnern. Der Wiederaufbau wird eine große Herausforderung für alle werden.
- Wir schlagen vor, eine transatlantische Brücke aus Fachleuten der USA und Europas zu bilden, um nach Perspektiven für eine Rekonstruktion der Stadtregion von New Orleans zu suchen.
- Wir schlagen vor, in absehbarer Zeit eine gemeinsame interdisziplinäre Urbanistische Konferenz – zusammen mit dem CNU und anderen Organisationen – durchzuführen, um Kräfte zu bündeln und Strategien zu erörtern.
- Mitglieder des CEU bieten eine Unterstützung an in den Bereichen der regionalen und sozialen Planung, des Wasser-Managements und des Wohnungsbaus in hochwassergefährdeten Gebieten.
Auszeichnung für Leistungen im europäischen Städtebau
Während des Kongresses vergab der Council for European Urbanism seine erste Auszeichnung – die CEU-Auszeichnung für Leistungen im europäischen Städtebau 2005 – an Dr. Hans Stimmann, Senatsbaudirektor von Berlin.
Council for European Urbanism Germany