Konferenz | Urbanity & Human Ecology: Modifying European Urban Life for Sustainability

Europäische Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie (DGH) und dem Commonwealth Human Ecology Council (CHEC)
vom 14. – 17. Mai 2014 in Sommerhausen

Urbanity & Human Ecology
Modifying European Urban Life for Sustainability

Urbanität & Humanökologie
für den Wandel in ein sich nachhaltig entwickelndes europäisch-urbanes Leben

Das 21 Jahrhundert wird voraussichtlich als Jahrhundert der Megastädte in das Buch der Menschheitsgeschichte eingehen. Ob es auch als Jahrhundert der Urbanität, als Gegenkonzept zur reinen Agglomeration, oder der Polis, oder gar der nachhaltigen Gemeinwesen (sustainable communities) in diese Geschichte eingehen wird, ist mehr als offen. Das wird nicht nur davon abhängen, ob wir unsere Städte und Siedlungen durch neue Techniken energetisch effizienter gestalten können, sondern wird ganz wesentlich auch von unserer Fähigkeit abhängen, diese Zukunft gemeinsam zu gestalten und unter gemeinsam akzeptierten Regeln zu organisieren. Schon deswegen meinen einige, die Zukunft könne, wenn überhaupt, nur grün und demokratisch sein.

Die neue Stadt wird plakativ zur ökologischen Alternative stilisiert, die es ermögliche, die peripheren Räume der Natur zurückzugeben, der Wildnis wieder zu ihrem Recht zu verhelfen, indem auch die Abhängigkeit der Stadt von ihrem Hinterland als Ernährungs- und Erholungsressource aufgehoben wird. Nach den Visionen moderner Urbanauten sollen die zukünftigen Städte nicht nur energetisch effizient sondern auch Orte einer neuen urbanen Landwirtschaft werden. Schon planen Architekten eine städtische Landwirtschaft in Hochhäusern, in denen Viehhaltung im 13. Stockwerk einen ökologischen Kreislauf mit Aquakulturen und Gemüsefeldern in den darunter liegenden Stockwerken herstellen sollen.

(Quelle: Benjamin Reuter 2011. Schwerpunkt Stadt 4, Tomaten vom Hochhaus, Wirtschaftswoche 7. 11. 2011 Green Economy, S. 18)

(Quelle: Benjamin Reuter 2011. Schwerpunkt Stadt 4, Tomaten vom Hochhaus, Wirtschaftswoche 7. 11. 2011 Green Economy, S. 18)

Die neue städtische Dichte in den Wachstumskernen spare zudem Mobilität, da die Arbeitsplätze in den Stadtkernen liegen würden. Da wo Mobilität nötig sei, würde Straßenasphalt mit Solarzellen verbunden auch noch die Energie für die grüne Ökonomie der neuen Stadt liefern (vgl. Andreas Menn 2011. Schwerpunkt Stadt 2, Kraftwerk Metropolis, Wirtschaftswoche 7. 11. 2011 Green Economy, S. 14).

Kritikern sind solche Visionen technokratische Hirngespinste. Die Milchkuh im 13. Stock könne ebenso wenig artgerecht gehalten werden wie die hydroponisch gezogene Tomate ein Biosiegel verdiene. Die schrumpfende aber alternde Bevölkerung in den Landstädten und Dörfern stellten die Volkswirtschaften vor große Probleme die Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Auch die nicht mehr bewirtschafteten Äcker und Weiden werden als Verlust der Kulturlandschaft heftig kritisiert. Gerade in Europa blicke man auf viele Jahrhunderte kulturell geprägter Landschaften zurück, die eben die besondere Eigenart einer Hochalm in den Alpen oder einer Wiesenmarsch an den Küsten ausmache. Europa verliere also sein charakteristisches Landschaftsbild, wenn, sich selbstüberlassen, letztlich Wald und Sumpf als Wildnis zurückkehrten. Vergessen sei, dass vor nur 400 Jahren ein Metropolenraum wie Berlin schon deswegen nicht über eine kleine Siedlung hinaus wachsen konnte, weil die Sumpfgebiete Brandenburgs das ebenso verhinderten wie die dort grassierende Malaria.

Im beginnenden 21. Jahrhundert hat der Trend zu Verstädterung sich nicht nur in Afrika, Asien, Australien und den beiden Amerikas weiter verstärkt, sondern auch in Europa wieder zugenommen. In Deutschland spricht man längst von einer neuen Landflucht, die in die wenigen Wachstumskerne der Agglomerationen Hamburg, München, Frankfurt und Berlin strebt.

Erfolgte aber die Landflucht des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus den geburtenreichen ländlichen Regionen in die erstarkenden Industriestädte, so sind heute die ländlichen Räume im Zuge des demografischen Wandels geburtenarm und die in die Wachstumskerne flüchtende Jugend lässt so die Alten auf dem Lande zurück.

Berlin ist längst in einem neuen Wachstumstaumel. Allein bis zum Jahr 2030 rechnet man mit 250.000 neuen Einwohnern, für die dringend komplett neue Stadtviertel, selbstredend ökologisch und nachhaltig zu planen und zu bauen sind. Und ganz selbstverständlich sei dabei von einer glokalen Mitverantwortung und –gestaltung eines jeden Einzelnen in den neuen nachhaltigen Gemeinwesen auszugehen, wie sie in der „territorialen Agenda der Europäischen Union für ein wettbewerbsfähigeres nachhaltiges Europa der vielfältigen Regionen“ 2007 in der Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt programmatisch festgehalten worden ist (Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt 2007 hrsg. Bundesministerium für Verkehr Bau und Stadtentwicklung).

Blickt man zurück ins 20. Jahrhundert, so finden sich insbesondere zwei Gegenbewegungen zur Verstädterung. Zum einen die Gartenstadtbewegung deren Ideengeber, wie z.B. Robert Owen die Vision hatten, dass „föderierte Gruppen von dreihundert, höchstens zweitausend Personen (…) die Erde bedecken (werden), mit kollektiver Hilfsbereitschaft in sich und untereinander“ (Ernst Bloch. 1969. Freiheit und Ordnung – Abriß der Sozialutopien, Reinbek, S.106). Zum anderen Geographen wie Walter Christaller der 1933 (Die zentralen Orte in Süddeutschland. Eine ökonomisch- geographische Untersuchung über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischer Funktion. Reprint. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1980) mit seinen ökonomisch- geographischen Untersuchungen das Modell der zentralen Orte begründete, welches in Deutschland die Raumordnung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmte und auch das Prinzip des ökonomischen Ausgleichs zwischen den Regionen begründete, um die Landflucht zu stoppen. Erst in den 1990er Jahren, im Zuge der Überwindung der Teilung Europas, nahm die Kritik an diesem Raumordnungsmodell wieder zu. Als wirtschaftsliberale Gegenbewegung brandmarkt diese auch in der Diskussion über die Bewältigung der europäischen Finanzkrise den Ausgleich zwischen den Regionen als Schuldenübernahme.

Wie also steht es mit der Zukunft der Stadt in humanökologischer Perspektive. Ist die weitere Verstädterung im Sinne einer Ökologisierung durch Dichte zu befürworten oder müssen wir die Regionen und ländlichen Räume außerhalb der sogenannten Wachstumskerne nicht ausdrücklich unterstützen um die besondere europäische Raumstruktur zu bewahren? Oder müssen wir nicht radikal umdenken und jeder Zentralisierung in Wachstumskerne und Megacities das Konzept der Gartenstadt radikal entgegensetzen?

Müssen wir, wenn wir diese Fragen aufgreifen, heute nicht konsequent über ganz Europa nachdenken? Und wenn wir über ganz Europa nachdenken, sollte dann das Konzept der Wilderness nicht zumindest doch für den unwirtschaftlichen Teil Europas als mögliches Entwicklungsziel gesehen werden? Muss nicht die Kulturlandschaft in humanökologischer Sicht hinter der ursprünglichen Naturlandschaft zurücktreten und Renaturalisierung eben deswegen alle Entwicklung auf wenige Wachstumskerne konzentrieren? Oder müssen wir die damit aufgeworfenen Dichotomien nicht überwinden, um eine neue Harmonie in europäischer Tradition einer maßvollen Urbanität zu bewahren und weiterzuentwickeln?

Humanökologie wirkt seit ihrer Entstehung wie kein anderes Konzept maßgeblich daran mit, diese Prozesse nicht nur kritisch zu begleiten sondern auch konstruktiv an unseren Zukünften verantwortlich mitzuwirken. Dabei sind die Städte, in denen heute die überwiegende Mehrheit der Menschen auf dieser Welt lebt, wie Robert Park bereits vor ziemlich genau 100 Jahren schrieb, weit mehr „than a congeries of individual men and of social conveniences— streets, buildings, electric lights, tramways, and telephones, etc.; something more, also, than a mere constellation of institutions and administrative devices—courts, hospitals, schools, police, and civil functionaries of various sorts. The city is, rather, a state of mind, a body of customs and traditions, and of the organized attitudes and sentiments that inhere in these customs and are transmitted with this tradition. The city is not, in other words, merely a physical mechanism and an artificial construction. It is involved in the vital processes of the people who compose it; it is a product of nature, and particularly of human nature“ (Robert E. Park [1916] 1952. The City: Suggestions for the Investigation of Human Behavior in the Urban Environment. In Human Communities. The collected Papers of Robert Ezra Park, Vol. II. S. 13).

In all diesen Prozessen spielt Kommunikation eine große Rolle, die wiederum ohne Teilhabe nicht möglich ist. Deswegen sind humanökologische Werkzeuge, welche die Teilhabe aller Mitmenschen befördern, wie insbesondere die Transdisziplinarität, unerlässlich um Zukunft gemeinsam zu gestalten. Wie Park an anderer Stelle mit Verweis auf Dewey betont, existiert Gesellschaft nur in und durch Kommunikation. Analysiert man die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse etwas genauer, so zeige sich in der Konsequenz, „that the social element ceases to be the individual and becomes an attitude, the individual’s tendency to act. Not individuals, but attitudes, interact to maintain social organizations and to produce social changes“ (Robert E. Park [1925] 1952. The Urban Community as a Spatial Pattern and Moral Order. In Human Communities. The collected Papers of Robert Ezra Park, Vol. II. S. 173 f.).

Urbanity and Human Ecology will sich den damit verbundenen Fragen widmen und thematisiert mit der Urbanitätsthematik nicht nur die Zukunft der Städte und ihrer Regionen, sondern auch der nachhaltigen Bewirtschaftung der damit verbundenen und benötigten Ressourcen und ihrer sozialen Organisation im Zeichen des Wandels auf den vier thematischen Strängen:

Ecopolis – Sustainable Communities – Peri-urban areas – Megapolis
Demographic Transition – Urban Social Cohesion, Community Movements and Democratic Empowerment
Urban Agriculture & Biodiversity – Urban Food Security & Production – Community Gardens
Urban Health & Well-Being – Greening the City – Urban Waste & Ressource Management

Weiter Infos:

Konferenzinformation (englisch/deutsch)Anmeldeformular
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